Menschenrechte in Rohstoff-Lieferketten
Mehr Menschenrechte in Rohstoff-Lieferketten
Goldabbau in Ghana. Über globale Lieferketten finden die begehrten Rohstoffe auch in unsere schicken elektronischen Geräte. Geht das ohne Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen?
Studie stellt Handlungsoptionen zu Rohstoffen vor
Die Studie Mehr Menschenrechte in Rohstoff-Lieferketten stellt politischen Entscheidungsträger*innen praktische Handlungsoptionen vor. Die ausreichende und gesicherte Versorgung mit Rohstoffen gilt als eine zentrale Zukunftsfrage für die heimische Industrie. Wirtschaftsräume sehen sich in einem Wettbewerb um den Zugang zu Rohstoffen. So formulieren auch die EU und Österreich entsprechende Strategien und setzen das Thema weit oben auf die politische und diplomatische Agenda. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Rohstoffabbaus in Ländern des Globalen Südens sind jedoch vielfach verheerend. Es kommt zu Zwangsumsiedlungen, Kinder- und Zwangsarbeit, Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und Umweltaktivist*innen, Verschmutzung und Übernutzung von Wasserressourcen, Landkonflikten etc. Freiwillige Instrumente wie Zertifizierungsinitiativen, unternehmensinterne Verhaltensrichtlinien, Leitsätze internationaler Institutionen allein sind nicht geeignet, diesen systematischen Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten. Die vorliegende Studie macht daher Vorschläge, wie in Österreich und der EU konkrete Schritte für verbesserten und verbindlichen Menschenrechtsschutz in Rohstoff-Lieferketten gesetzt werden können.
Durch soziale und ökologische Kriterien in entsprechenden Ausschreibungen kann die öffentliche Hand einen Hebel für Verbesserungen in Rohstoff-Lieferketten ansetzen. Foto: Schütz/pixelio.de
Sorgfalts(prüfungs)pflichten
In der EU-Konfliktmineralienverordnung wurden – für einen sehr begrenzten Anwendungsbereich – erstmals rechtlich bindende Sorgfaltsprüfungspflichten für europäische Unternehmen verankert. Diese könnten auf weitere Rohstoffe, Unternehmen und Teile der Lieferketten ausgedehnt werden. In Frankreich wurde mit dem «Devoir de Vigilance»-Gesetz eine entsprechende nationale Pflicht etabliert. In vielen anderen europäischen Ländern – so auch in Österreich – werden ähnliche Vorschläge diskutiert. Sorgfaltsprüfungspflichten können ein Mittel sein, die Respektierung der Menschenrechte in das Risikomanagementsystem von Unternehmen zu integrieren. In Verbindung mit Haftungsmechanismen sind sie auch geeignet, den Opferschutz bei Menschenrechtsverletzungen zu verbessern.
Handels- und Investitionspolitik
Trotz des grundsätzlichen Bekenntnisses der Europäischen Union, Menschenrechte in ihren Außenbeziehungen zu schützen und zu fördern, stehen Handels- und Investitionsabkommen oft dazu in Widerspruch. Die Menschenrechtsklauseln dieser Abkommen beziehen sich auf Menschenrechtsverletzungen im Partnerland und auf Sanktionsmechanismen u.a. durch handelspolitische Maßnahmen. Sie beziehen sich jedoch nicht auf menschenrechtliche Wirkungen, die vom jeweiligen Abkommen selbst verursacht werden. Menschenrechtsverträgen sollte ein klarer rechtlicher Vorrang über Handels- und Investitionsschutzabkommen eingeräumt werden, so eine zentrale Empfehlung. Weiters werden menschenrechtliche Folgenabschätzungen und größere Transparenz, mehr Konsultationen und effektive Beschwerdemechanismen empfohlen.
Zinnmine in Bolivien. Mit der „Konfliktmineralien-Verordnung“ etabliert die EU erstmals bindende Sorgfaltspflichten für die Importeure von Gold, Zinn, Tantal und Wolfram.
Öffentliche Beschaffung
Ob für das öffentliche Gesundheitssystem, Verwaltung, Forschungs- und Bildungseinrichtungen usw. – die öffentliche Hand ist Großeinkäufer für IT-Produkte. Durch soziale und ökologische Kriterien in entsprechenden Ausschreibungen kann durch öffentliche Beschaffung ein Hebel für Verbesserungen in Rohstoff-Lieferketten angesetzt werden. Die in Österreich unmittelbar bevorstehende Umsetzung der EU-Vergaberichtline in einer Novelle des Bundesvergabegesetzes bietet eine große Chance, entsprechende soziale Kriterien zu entwickeln und verpflichtend vorzusehen und auf ganze Lieferketten anzuwenden. Dazu muss man sich endgültig vom Billigstbieter-Prinzip verabschieden und das Bestbieterprinzip zur alleinigen Option machen.
Die Studie wurde vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) und der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar erarbeitet.
Autor*innen: Julia Planitzer, Johannes Kramml, Karin Küblböck (Kapitel 3) und Marieta Kaufmann
Zerstörung und Umsiedlung von Dörfern durch Bau der Bissa-Goldmine in Burkina Faso, Foto: Schade/Fastenopfer