„Kinderarbeit stoppen“: EU-Lieferkettengesetz nicht von Lobbys torpedieren lassen

Zadić und Kocher sollen ihrer Linie treu bleiben und sich für ein Lieferkettengesetz stark machen, das Menschen und Umwelt wirksam schützt 

Verhandlungen im Rat auf der Zielgeraden – Lobby-Druck steigt 

Die EU-Mitgliedsstaaten beraten seit Februar über einen Vorschlag der Kommission für ein europäisches Lieferkettengesetz. Der aktuelle tschechische Ratsvorsitz drängt auf eine baldige Einigung. Die EU-Minister*innen wollen morgen im Rat für Wettbewerbsfähigkeit (COMPET) über eine gemeinsame Position zum EU-Lieferkettengesetz abstimmen. Österreich wird durch Wirtschaftsminister Martin Kocher vertreten. Medienberichten zufolge könnten bei den hektischen Verhandlungen in letzter Minute aber faule Kompromisse geschlossen werden, die zum Nachteil der von unternehmerischen Tätigkeiten betroffenen Menschen und der Umwelt wären. So wird etwa von einigen Staaten versucht, Ausnahmen für den Finanzsektor zu erreichen und somit die Verantwortung von Investor*innen auszusparen. Dahinter stehen die Interessen großer Akteur*innen an den Finanzmärkten. Auch in Österreich machten Wirtschaftsverbände zuletzt Stimmung gegen den Gesetzesentwurf. Bisher hatte die österreichische Verhandlungsposition wichtige Punkte in Richtung eines wirksamen europäischen Gesetzes unterstützt. Es steht zu befürchten, dass diese nun im letzten Moment durch Druck der Unternehmensvertretungen verwässert werden. Da von engen Mehrheiten bei der Beschlussfassung im Rat ausgegangen wird, hat die Position von kleinen Ländern wie Österreich allerdings großes Gewicht.  

Appell an zuständige Minister*innen: Bisheriger Linie treu bleiben 

Laut aktueller Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO arbeiten derzeit 79 Millionen Kinder unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen. Das Bündnis „Kinderarbeit stoppen“ ersucht die federführenden österreichischen Minister*innen, in den politischen Verhandlungen an die Zukunft dieser Kinder zu denken. „Wir appellieren an Wirtschaftsminister Kocher und Justizministerin Zadić, dem Lobby-Druck standzuhalten und sich für ein Lieferkettengesetz stark zu machen, das Menschen und Umwelt wirksam schützt“, sagt Sigrid Kickingereder, Geschäftsführerin der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. Justiz- und Wirtschaftsministerium hatten in den vergangenen Monaten einen partizipativen und transparenten Prozess zur Einbindung aller relevanten Interessensgruppen organisiert. „Es wäre katastrophal, würden die Ergebnisse dieses Prozesses in letzter Minute über Bord geworfen und den Partikularinteressen von Blockierern und Verhinderern nachgegeben“, so Kickingereder weiter.  

„Das europäische Lieferkettengesetz wird daran zu messen sein, ob es die Ausbeutung von Menschen und Natur zu beendigen hilft. Auf das Leid und die verbauten Chancen von 79 Millionen Kindern weltweit, die unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten, dürfen wir nicht vergessen”, ruft Kickingereder den Zweck des sogenannten Lieferkettengesetzes in Erinnerung. Die Weltgemeinschaft hat sich in den Zielen für Nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) vorgenommen, Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 vollständig zu beenden. 

Hintergrund: 

Im April 2020 kündigte EU-Justiz-Kommissar Didier Reynders einen Entwurf für ein sektorübergreifendes europäisches Lieferkettengesetz an. Dem waren nationale Gesetze in Frankreich (2017) und Deutschland (2021) vorausgegangen. Eine von der Europäischen Kommission beauftragte und im Jahr 2020 veröffentlichte Studie zur freiwilligen Wahrnehmung von Sorgfaltsmaßnahmen in Liefer- und Wertschöpfungsketten hatte deutlich gezeigt, dass bislang zu wenig geschehen ist, um Menschenrechte und Umwelt entlang globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten ausreichend zu schützen. Nur ein Drittel der befragten Unternehmen hatte angegeben, sich um Menschenrechts- und Umweltschutz in ihren Zulieferketten zu kümmern. Im März 2021 stimmte im Europäischen Parlament eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten für einen Initiativbericht, der auch einen Richtlinienvorschlag enthielt. Im Februar 2022 wurde von der Europäischen Kommission ein Entwurf für eine entsprechende Richtline veröffentlicht. Seither bearbeiten die zuständigen Ministerien der EU-Mitgliedsstaaten in Arbeitsgruppen des Europäischen Rats den Gesetzestext. Diese Verhandlungen werden üblicherweise mit einer „Allgemeinen Ausrichtung“ abgeschlossen. Diese stellt dann die Grundlage für die sogenannten Trilog-Gespräche mit dem EU-Parlament und der Kommission dar, in dem ein endgültiger Gesetzestext verhandelt wird. Mit einer endgültigen Einigung wird im Laufe des Jahres 2023 gerechnet. 

Die Initiative „Kinderarbeit stoppen” – bestehend aus der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, FAIRTRADE Österreich, weltumspannend arbeiten (ÖGB), Jugend Eine Welt, Kindernothilfe Österreich und Butterfly Rebels – fordert von österreichischen Regierungsmitgliedern und Parlamentarier*innen ein Lieferkettengesetz, das wirkungsvoll gegen Kinderarbeit vorgeht. www.kinderarbeitstoppen.at  

In Österreich hat sich unter dem Motto „Menschenrechte brauchen Gesetze!“ ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis formiert, das für ein starkes Lieferkettengesetz und für ein verbindliches UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten eintritt. www.menschenrechtebrauchengesetze.at 

Fotolink: https://flic.kr/s/aHBqjAh8it

Fototext:  

„Kinderarbeit stoppen – Lieferkettengesetz jetzt!“ – Diese Schriftzüge in Form eines Reverse Graffito (es entsteht, indem eine Fläche stellenweise gereinigt wird) brachten Aktivist*innen im Eingangsbereich der WKÖ an, um den Wirtschaftsverband daran zu erinnern, dass es beim Lieferkettengesetz um die Verhinderung von menschlichem Leid und die Zukunftschancen von Millionen von Kindern weltweit geht.  

Rückfragehinweis:

Isabella Wieser
Anwaltschaft & Kampagnen
isabella.wieser@dka.at
+43 676 880 11 1085