Interview mit Kirchengoldschmied Michael van Ooyen

Foto: EM

Interview mit Herrn Michael van Ooyen, Kirchengoldschmied im Kloster Gut Aich

Persönliche Fragen

Könnten Sie etwas zu Ihrem Beruf sagen und was Sie daran fasziniert?

Ich bin Gold- und Silberschmied, Meister, und Restaurator im Handwerk. Als Kirchengoldschmied muss beides abgedeckt sein: der  Schmuck- und Silberschmied.

Ich arbeite seit 47 Jahre in diesem Bereich. Unser Beruf hat sich weiter entwickelt – auch er ist wie die meisten Berufe technisiert und computerisiert worden. Die alten Techniken sind „Sondertechniken“ geworden

Mich reizen die Techniken, das Handwerk, überhaupt die Möglichkeit, mit den Händen zu arbeiten, die Kreativität. Ich persönlich würde nie als Juwelier arbeiten oder „von der Stange“ verkaufen können. Das gilt auch für den kirchlichen Bereich.

Wie stehen Sie persönlich zu dem von Ihnen verwendeten Rohstoff Gold? Was bedeutet er Ihnen?

Gold steht für Reinheit, Dauerhaftigkeit, Nachhaltigkeit. Es hat in allen Kulturen eine schwer wiegende Bedeutung. Und weil das so ist, wurden und werden auch bei uns Trauringe, Kreuze etc. aus diesem Edelmetall gemacht.

Mit Gold wird jede Menge Gefühl transportiert und Macht demonstriert. Im Kleinen geht es eher um das Gefühl, im Großen eher um die Macht. Man muss – auch in der Kirche – den Umgang mit Edelmetallen aus der Zeit heraus beurteilen, genauso wie andere Dinge, z.B. Literatur.

Gold hat einen hohen emotionalen Wert, den es auch gilt zu hinterfragen. Manchmal wird Gold zu häufig, zu oft, zu bedenkenlos eingesetzt. Ich bin allerdings nicht dafür, Gold überhaupt nicht einzusetzen, denn es hat dieses Potential an Bedeutung, mit dem man arbeiten kann.

Mir ist bewusst, dass der Goldbergbau nie sauber war für die, die den Bergbau betreiben mussten! Sie haben es eher gemacht, weil sie sonst nicht überleben konnten. Für die allerdings, die die Gewinne daraus gezogen haben, war es lukrativ.

Foto: Elisabeth Mayr-Wimmer, Ordensgemeinschaft Österreich

Michael van Ooyen beim Werken: Der Goldschmied sägt ein Stück Holz

Fragen der Bedeutung / Symbolik

Sie gestalten liturgische Geräte und andere religiöse Gegenstände mit Gold. Was ist Ihnen dabei wichtig? Was bedeutet Ihnen der Einsatz von Gold in der Liturgie und in der Kirchenausstattung? 

Darüber nachgedacht habe ich erst im Studium, in den 90er Jahre. Da fanden die ersten Riesenproteste gegen die Goldgewinnung statt. Es gab große Boykotte und in den Städten wurde vor Goldschmieden demonstriert. Erst habe ich mich total auf den Schlips getreten gefühlt, dann habe ich angefangen, nachzulesen, habe die Fotos aus Südamerika oder Südafrika gesehen, oder Zentralafrika, die riesigen verwüsteten Gebiete. Das ging so weit, dass ich im Studium dann nachher eine Zeitlang überhaupt kein Edelmetall mehr verarbeitet habe, nur noch Buntmetalle. Wenn man da allerdings nachforscht, sieht es  auch nicht viel besser aus.

Ich weigere mich, in unedlen Metallen oder Materialien Kelche zu machen. Ganz einfach, weil das für mich persönlich nicht geht. Ich bin Christ und katholisch erzogen, ganz stark katholisch geprägt. Für mich ist der Kelch in der Liturgie das zentrale Gerät überhaupt. Es gibt natürlich auch andere edle Materialien wie Porzellan, besonderes Glas, Bergkristall. Da habe ich dann kein Problem damit, im Gegenteil, das mache ich sogar selber. Ein Problem hätte ich mit einer kompletten Ablehnung von edlen Materialien. Sie müssen jeweils in einen bestimmten Kontext gesetzt werden. Das fordert eigentlich bei jedem Stück, das neu gemacht wird, zur Diskussion heraus.

Es gibt einige kritische Punkte, die beleuchtet werden müssen:

  • Die Produktion – das gilt nicht nur für Gold, sondern für alle Rohstoffe!
  • Wie geht man selbst damit um?
  • Welche Bedeutung haben diese Metalle tatsächlich? Was drücken sie für die Leute aus? Welche gesellschaftliche Bedeutung haben sie? Was bringt die geschichtliche Betrachtung?

Man muss die Sprache von Gold oder Silber verstehen. Wenn man die Aussage für sich persönlich durch etwas anderes ersetzen möchte, dann muss man das tun. Aber grundsätzlich würde ich nicht sagen, dass man Gold  nicht verwenden darf. Gold ist dauerhaft und ist auch nachhaltig. Nachhaltigere Dinge wie Edelmetalle gibt es kaum. Die werden zu annähernd 100% recycelt. Das sind die einzigen Stoffe, wo die Technik und das Knowhow so hoch sind. Bei anderem sind wir noch gar nicht so weit. Unter diesem Aspekt halte ich die Verwendung von Edelmetallen für absolut legitim, auch in der Kirche. Aus diesen beiden Gründen habe ich kein Problem, Edelmetalle zu verwenden:  Zum einen die technische Geschichte der nachhaltigen Nutzung, zum anderen aber auch die ideelle Geschichte. Wer eine Aussage mit Gold und Silber treffen will und sich dafür entscheidet, der soll das tun. Wer das nicht will, braucht das nicht tun. Und das ist genauso legitim.

Wie sollen wir in der Kirche mit den Kulturgütern umgehen, bei denen Gold verwendet wurde – auch angesichts der Schuldgeschichte, die auch damit verbunden ist?

Die alten Sachen müssen bewahrt werden, das gehört zur Geschichte. Und sie müssen überdies auch noch benutzt werden. Sakralgeräte sind keine Museumsgeräte, auch wenn viele dort stehen. Ich weiß, dass es da Diskussionen mit den Kunsthistorikern gibt. Aber gleichzeitig muss Kirche immer in der Zeit stehen und auch die Gerätschaften müssen das darstellen. Auch sie müssen zeigen, dass man die Sprache der Zeit beherrscht. Ansonsten ist es eine Sprache, die nicht mehr verstanden wird. Das ist dann der Tod.

Wie stehen Sie als Goldschmied zu Gold als Wertanlage?

Man muss sich bewusst sein, dass Schmuck, den ich fertigen lasse, zunächst keine Wertanlage ist, weil die Kosten für die Verarbeitung hinzukommen. Gold kommt für mich persönlich als Wertanlage nicht in Frage.

Foto: Elisabeth Mayr-Wimmer, Ordensgemeinschaft Österreich

Goldkreuz

Herkunft von Gold – Recycling …

Wissen Sie etwas über Lieferketten von Gold und über die Kennzeichnung und Nachverfolgbarkeit innerhalb der Produktion?

Vieles ist schwer nachzuverfolgen. Ich verlasse mich auf eine starke Zertifizierung, auch wenn es nie 100% Sicherheit gibt, weil die Versuchung, auf dem Weg zu „tricksen“, groß und lukrativ ist.

Für mich sind die Zertifikate LBMA und Faire Trade Gold die wesentlichen.

LBMA-zertifizierte Firmen sind verpflichtet ausschließlich Altgold (recyceltes Gold) zu handeln und zu verarbeiten. Und vieles mehr.

Faire Trade Gold-zertifizierte Firmen verpflichten sich human und umweltbewusst gefördertes Mienengold zu handeln und zu verarbeiten. Und vieles mehr.

Meine persönliche Entscheidung ist, ausschließlich mit recyceltem Gold zu arbeiten. Es ist genügend Gold im Umlauf, um den Bedarf für Goldschmiedearbeiten zu decken.

Gibt es in Hinblick auf das verwendete Gold einen Unterschied zwischen den Gold verarbeitenden Firmen zur Schmuckherstellung und kleineren Goldschmieden? Welchen?

Wir finden schon bei den Ägyptern, dass da kein Gramm Gold verschwendet wurde. Es gibt in einer mir bekannten Goldschmiedewerkstatt sogar Sickerbecken unter Waschbecken, damit auch das, was man sich von der Hand wäscht, in ein Klärbecken kommt und auch geschieden werden kann. So funktioniert das Handwerk. Da gibt es große Unterschiede im Umgang mit dem wertvollen Rohstoff in der Industrie. Für die einen ist das nur Material, für jeden kleinen Goldschmied ist das auch Geld. Der kann sich das gar nicht leisten, etwas zu verlieren. Denn für ihn ist der Verlust von einem Gramm gleich 100,-- Euro Verlust. Das Edelmetall-Handwerk recycelt schon immer. Das ist einer der Punkte, warum ich mir da früher nie Gedanken gemacht habe, denn das war einfach selbstverständlich, gehörte zur Kultur dieses Handwerks. Die Erkenntnis, dass das etwas Besonderes ist und heute wertschätzend als Nachhaltigkeit bezeichnet wird, das kam mir erst später zu Bewusstsein.

Was mich freut, ist, dass jetzt für viele junge Leute, die ihre Werkstätten im Schmuckbereich eröffnen, Nachhaltigkeit wichtig ist. Oft gibt es auch auf ihrer Website eine Rubrik, wo auf dieses Thema hingewiesen wird. Das machen wir im Europakloster Gut Aich jetzt auch, das habe ich angeregt.  Das passt bei uns ja komplett in den Kontext.

Ein schwieriges Thema ist das so genannte „Halbzeug“, das heißt vorgefertigte Ketten und Verschlüsse, die von vielen zugekauft werden. Da weiß man nicht, woraus das gemacht ist und wer es gemacht hat. Das ist eine Produktion für Massenartikel, Serienartikel. Die Herstellung ist hier in Mitteleuropa zu teuer geworden, vieles ist ausgelagert. Der Schmuckbereich verarbeitet pro Jahr etwa 1.700 Tonnen Gold, über die Hälfte davon wird in China verarbeitet. An zweiter Stelle steht Indien, auch mit einer großen Menge. Für die restliche Welt bleibt kaum noch etwas. Das Handwerk verarbeitet weltweit von diesen 1.700 Tonnen etwa 10%. Alles andere ist Schmuck- und Goldschmiedeindustrie. Wenn das bei uns relativ billig verkauft wird, kann man davon ausgehen, dass die Arbeiter/innen, darunter wohl auch Kinder, nicht viel bekommen.

Wissen Sie etwas über die Herkunft des Goldes bei liturgischen Geräten, wie sie bei den diversen Unternehmen für Kirchenbedarf angeboten werden?

Es gibt jede Menge, das auch in der Kirche „von der Stange“ gekauft wird, das Wenigste kommt vom Goldschmied. Ca. 80-85% der vasa sacra (heilige Gefäße) kommen heute von der Stange. Das ist Industrieware und hat sich wie jede industrielle Produktion auch entwickelt. Vor 20-30 Jahren wurde in Italien als Billiglohnbereich produziert, in 1990er Jahren in Polen, in den baltischen Ländern. Jetzt in Indien oder China, auch in Portugal.

Wir wissen nicht, wie das dort produziert wird, das ist reine Spekulation. Da bekommt man auch kaum Antwort.

Woher beziehen Sie in der Goldschmiede des Europaklosters Gut Aich das Gold, das Sie verwenden?

Ich gebrauche ausschließlich recyceltes Gold und zwar aus zertifizierten Quellen. Das funktioniert so: Viele Handwerksbetriebe kaufen gar kein neues Gold. Kunden bringen Altgold, das  wird gesammelt und an eine Scheideanstalt gegeben. Dort ist das wie bei einem Girokonto. Je nachdem, wie viel man braucht, wird dann über dieses Konto verrechnet. Ich habe ein einziges Mal Gold zusätzlich kaufen müssen und das war 2004 beim Goldpreisboom. In dieser Zeit  sind alle zu den Händlern und Ankäufern gegangen und nicht zu uns. So konnte nicht über das Konto verrechnet werden. Aber ansonsten habe ich in über 30 Jahren kein einziges Gramm gekauft, nur über eingeliefertes Altgold verrechnet.

Zertifiziertes recyceltes Gold wird zum Börsenpreis verkauft, Fair Tradegold ist etwas teurer. Denn zum gleichen Börsenpreis kommen die Verarbeitungskosten und Auflagen des Zertifikats hinzu. Das sind Entscheidungen, die man zu treffen hat.

Foto: Elisabeth Mayr-Wimmer, Ordensgemeinschaft Österreich

Monstranz und Kreuz aus Gold stehen auf einem Tisch

Möglichkeiten zum Handeln

Was soll ich tun, wenn ich Gold – z.B. für Eheringe, Professringe, religiöse Zeichen, liturgische Geräte – mit gutem Gewissen verwenden will?

Grundsätzlich ist es für mich ethisch verpflichtend geworden, nachzufragen. Ich habe jahrelang überhaupt nicht nachgefragt. Das kann man sich aber angewöhnen, man muss nur einfach seine Scheu verlieren. Wenn man dann manchmal dumme Antworten bekommt oder an eine geschmeidige Presseabteilung verwiesen wird, die gar nichts Substantielles aussagt, muss man das einfach wegstecken. Aber ich denke, je mehr nachgefragt wird, desto mehr wird man auch die Zulieferer an ihre Verantwortung erinnern.

Ich glaube, es ist eine grundsätzliche Entscheidung. Wenn die Entscheidung fällt, dass Edelmetall verwendet wird, dann würde ich schlicht und ergreifend nachfragen, woher die Metalle bezogen werden und ob ausschließlich diese verarbeitet werden. Das wäre ein Kriterium.

Ein schwieriges Thema ist das so genannte „Halbzeug“ – Ketten, Verschlüsse. Die werden meistens hinzugekauft und nicht selbst produziert. Aber auch hier kann man nachfragen.

Was sollte Ihrer Meinung nach mit künstlerisch nicht wertvollen und nicht mehr verwendeten liturgischen Geräten geschehen?

Ja, eine ganze Menge fristet ihr Dasein in Sakristeien oder in sonstigen Räumen. Ich würde die recyceln.  Bei den einzelnen Stücken – besonders den industriell gefertigten, denn da ist die Auflage von Gold normalerweise sehr dünn und außerdem mit Lack überzogen - kann man sich nicht viel davon versprechen, das sind keine großen Werte.  So wäre das eigentlich eine Sache der Diözesen, weil es sich nicht auszahlt, dass jede Pfarre selber zwei Kelche bringt. Das ergibt vielleicht 1g Gold. Da ist der Recyclingprozess teurer als das gewonnene Gold, die recycelnden Firmen bekommen immer ihr Geld, auch wenn das Ergebnis für den Kunden negativ ist. Aber wenn – übertrieben gesagt - eine „ganze LKW-Ladung kommt“, dann lohnt sich das auch für den, der recyceln lässt und man bekommt dafür Geld. Dann kommen vielleicht 50-100 Gramm heraus. Das heißt, man könnte, wenn man das will, eine Sammelaktion starten und damit zu einer zertifizierten Scheideanstalt gehen. Ich fände es gut, wenn da Aktionen stattfinden würden.

Aber – was wichtig ist: jemand mit Expertise muss das gesammelte Material anschauen, denn ich habe schon oft erlebt, dass sich ein schäbiger Kelch, der eingeschmolzen werden sollte, entpuppt hat als ein spätgotischer Kelch. Die sehen einfach furchtbar aus, weil sie vielleicht lange am Dachboden gelegen haben. Deshalb kann die Entscheidung, was weggegeben wird und was nicht, nicht in den Pfarren allein getroffen werden. Denn für sie oft  der noch halbwegs glänzende Kelch, der vor 5 Jahren aus dem Katalog gekauft wurde, immer noch viel „wertvoller“ als so ein alter, verbeulter Kelch.     

Was möchten Sie der Dreikönigsaktion im Blick auf das Projekt „Gold und Kirche“ sagen?

Ich finde es interessant und wichtig, dass man innerkirchlich beginnt, neu darüber nachzudenken, welche symbolische Bedeutung die Verwendung von Gold hat und warum man es verwendet hat und verwendet. Ich glaube, das ist sehr weit verbreitet, dass man überhaupt nicht mehr darüber nachdenkt. Das könnte auch eine Achtsamkeit Gott gegenüber sein.

Deshalb hat Ihre Anfrage in mir ganz viel ausgelöst. So umfänglich denke ich ja gar nicht mehr darüber nach. Das ist eine Zeit gewesen und dann habe ich meine Entscheidung getroffen. Eigentlich ist das schon wichtig, dass man immer wieder einmal in größeren Zeitabständen das noch einmal Revue passieren lässt oder kontrolliert, was man da eigentlich tut. In diesem Sinne war diese Anfrage sehr gut und ich bin dankbar dafür. Und noch etwas: das ging sofort in die Breite, denn ich habe natürlich mit den Brüdern und der Leitung [in Gut Aich] auch darüber gesprochen, die sich ja auch darüber bewusst sein müssen und auch sind, was im Raum ihres Klosters geschieht. Das hat also etwas angeregt!

Das Interview führte Sr. Anneliese Herzig

Juni 2021